Es braucht Aufklärung: Berufliche Vorsorge wird unterschätzt

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Es braucht Aufklärung: Berufliche Vorsorge wird unterschätzt

Die berufliche Vorsorge, unsere 2. Säule, ist für viele Menschen der wichtigste Baustein ihres Einkommens im Alter. Doch ihre Bedeutung wird unterschätzt, die Zusammenhänge werden oft sogar falsch verstanden. Das hat auch Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion zur Umverteilung. Gleichzeitig gibt es Hinweise: Wer das System versteht, empfindet die aktuelle Umverteilung als unfair. Woran liegt das und wie lässt es sich ändern?
Es braucht Aufklärung:  Berufliche Vorsorge wird unterschätzt

Löwenanteil der Altersvorsorge im BVG – doch Mehrheit weiss das nicht

In der beruflichen Vorsorge (BVG) steckt für die meisten von uns ein wichtiger Teil des persönlichen Vermögens und ein grosser Anteil des Einkommens im Alter. Denn dort spart jede Erwerbsperson für ihre eigene Rente. Doch das weiss eine Mehrheit der Bevölkerung nicht, so ein wichtiges Ergebnis der aktuellen «Fairplay»-Studie: Zum zweiten Mal haben die Vita Sammelstiftungen und die Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Sotomo eine repräsentative Befragung von 1’600 Personen veranlasst.

Die Hälfte nimmt BVG-Beiträge als Gebühr oder Steuer wahr

Ein Indiz aus der ersten Studie hat sich klar bestätigt: Weil die BVG-Beiträge direkt vom Lohn abgezogen werden, sehen viele Menschen sie als eine Art Steuer oder Abgabe. Obwohl die BVG-Lohnabzüge ins persönliche Vorsorgekonto einbezahlt werden, nehmen nur 47 Prozent der Erwerbstätigen diese als Investition ins eigene Alterskapital wahr. 28 Prozent sehen darin eine Art Steuer («Beitrag zur Sicherung der Renten in der Schweiz») und 21 Prozent halten die Beiträge für eine Gebühr, die bezahlt werden muss.

Lohnprozente BVG als ...

Ausgestaltung als Lohnabzug schwächt Grundidee des BVG

Die Ausgestaltung und Benennung der BVG-Beiträge als «Lohnabzug» tragen dazu bei, dass nur 43 Prozent das eigene Vorsorgekapital überhaupt als Teil ihres Vermögens wahrnehmen. Wird das Geld als eine Art Gebühr oder Steuer interpretiert, schwächt dies die Grundidee der beruflichen Vorsorge als Sparen für das eigene Alter. Das ist auch für die Arbeitgeber bedauerlich. Schliesslich finanzieren sie mindestens die Hälfte der Beiträge. Diese Leistung kann den Mitarbeitenden nur bewusst sein, wenn sie im BVG eine Anlage für das eigene Alter erkennen.

BVG: Bedeutung wird systematisch unterschätzt/verzerrte Wahrnehmung

Wer heute in Rente geht, erhält im Durchschnitt bereits mehr Geld aus der 2. Säule (BVG) als aus der 1. Säule (AHV). Dieser Trend wird sich noch verstärken, unter anderem, weil mehr Frauen erwerbstätig sind. Dennoch glauben die Befragten der Fairplay-Studie, die AHV habe für ihre finanzielle Absicherung im Alter eine deutlich grössere Bedeutung: Sie gehen von einer Aufteilung von rund 44 Prozent (1. Säule), 33 Prozent (2. Säule) und 22 Prozent (freiwilliges Sparen in der 3. Säule) aus. Die Bedeutung des BVG fürs Alterseinkommen wird also systematisch unterschätzt.

Ahnungslosigkeit beim Alterskapital

Diese verzerrte Wahrnehmung passt zu der Tatsache, dass nur 17 Prozent der Erwerbsbevölkerung genau wissen, welche Geldsumme sie bisher in der Pensionskasse angespart haben. Das ist damit vergleichbar, dass jemand seinen Kontostand nicht kennt. Auch der persönliche Vorsorgeausweis, welcher einmal im Jahr versendet wird, ändert nichts daran. Weil das Bewusstsein für die 2. Säule fehlt, wird ihre Bedeutung unterschätzt und die berufliche Vorsorge fällt in der Wahrnehmung im Vergleich zur AHV zurück.

BVG ist meist kein Thema bei Anstellung

Die Vernachlässigung der 2. Säule hat auch Auswirkungen im Bewerbungsprozess: Wer von den Befragten in den vergangenen zehn Jahren eine neue Stelle angenommen hat, machte die Vorsorge meistens nicht zum Thema: Nur bei 22 Prozent spielte die Ausgestaltung der Vorsorgeleistung beim neuen Arbeitgeber eine Rolle für die Anstellung. Und gerade einmal 18 Prozent thematisierten die berufliche Vorsorge im Laufe des Bewerbungsprozesses.

Umverteilung gilt mehrheitlich als unfair

In der 2. Säule gibt es einen grossen Reformbedarf. Denn heute wird rund die Hälfte der Kapitalerträge der Erwerbstätigen für die Finanzierung der aktuellen Renten verwendet, was so im System nicht vorgesehen ist. Doch nur ein Drittel der Befragten ist sich dieser Umverteilung bewusst. Deshalb wurden die beitragszahlenden Erwerbstätigen unter den Befragten über diese Umverteilung aufgeklärt. Anschliessend wurden sie gefragt: «Finden Sie es unfair, wenn ein Teil der Performance bzw. der Zinsen Ihres BVG-Vorsorgekontos für die Rentenleistung der aktuellen Rentnergeneration verwendet wird?» Nach dieser Information fanden es 63 Prozent dieser Befragten unfair.

Ist eine Umverteilung der Zinsen Ihres BVG-Vorsorgekontos unfair?

BVG: mehr Sichtbarkeit und Mitbestimmung

Grosse Mehrheiten der Befragten sind für Massnahmen, welche die Wahrnehmung des BVG als wichtigster Vermögensbestandteil stärken. Über 70 Prozent finden folgende drei Massnahmen richtig und sinnvoll: 1. Eine App lancieren, die Überblick über die persönliche Vorsorgesituation bietet. 2. Die Möglichkeit bieten, die Pensionskasse selbst zu wählen. 3. Die Anlagestrategie selbst wählen können.

Finanzwissen fördert Verständnis für das BVG

Es besteht ein sehr starker Zusammenhang zwischen dem Wissen über Kapitalanlagen und den Kenntnissen über die eigene Vorsorgesituation. Wer sich mit Finanzprodukten und Anlagen gut auskennt, ist meist auch über die eigene Vorsorgesituation in der 2. Säule gut informiert. Das bedeutet: Wer das Bewusstsein der Bevölkerung für die Bedeutung der 2. Säule wecken will, der muss ins allgemeine Finanz- und Anlagewissen der Bevölkerung investieren.

Fazit: Verständnis fördern, Zusammenhänge erkennbar machen

Es ist besorgniserregend, wenn die Mehrheit der Erwerbstätigen nicht versteht, warum sie Beiträge in die 2. Säule einzahlt – und was mit diesem Geld passiert. Denn wer eigenverantwortlich seine Zukunft gestalten will, benötigt dafür ein grundlegendes Verständnis der Zusammenhänge im Schweizer Vorsorgesystem. Deshalb ist es wichtig, auf vielen Ebenen das Finanzwissen zu fördern: in den Schulen, im Beruf und über die Medien.

Breite Mehrheit für mehr Sichtbarkeit

Eine breite Mehrheit in der Bevölkerung, nämlich mehr als 70 Prozent der Befragten, befürwortet mehr Sichtbarkeit und Kommunikation in der beruflichen Vorsorge. Das ist eine grosse Chance für engagierte und nachhaltig denkende Arbeitgeber: Wenn sie beispielsweise an Personalorientierungen über die Rolle der 2. Säule aufklären, unterstützen sie ihre Mitarbeitenden bei der finanziellen Lebensgestaltung. Gleichzeitig können sie transparent machen, welche Leistungen sie selbst bieten und sich so erfolgreich als verantwortungsbewusstes Unternehmen positionieren.

Fairplay-Studie: folgenreiche Wissenslücken in der beruflichen Vorsorge

Welche Konsequenzen dies hat und wie wichtig Aufklärungsarbeit ist, lesen Sie in der aktuellen repräsentativen Studie des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Vita Sammelstiftungen und Zurich. 

Fairplay-Studie herunterladen

Häufig gestellte Fragen

Warum wird mir jeden Monat Geld vom Lohn abgezogen – und was passiert damit?

Jeden Monat gibt es bestimmte Abzüge vom Lohn – netto wird also weniger Geld überwiesen als im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Dabei wird zwischen zwei Posten unterschieden: die Sozialversicherungsbeiträge und das BVG. Zu den Sozialversicherungsbeiträgen gehören die AHV, aus der die gesetzlichen Altersrenten sowie Leistungen im Todesfall finanziert werden. Die IV unterstützt Menschen, die wegen Krankheit oder Unfall nicht mehr erwerbstätig sein können. Die EO liefert einen Lohnersatz während des Militärdienstes oder des Mutterschaftsurlaubs. ALV ist die Abkürzung für die Arbeitslosenversicherung. Sie zahlt, wenn jemand arbeitslos wird. Alle diese Sozialversicherungen haben gemeinsam, dass sie im Umlageverfahren finanziert werden: Alle Einzahlungen kommen in einen grossen Topf und daraus erhalten die Leistungsempfänger ihr Geld. Das BVG, die 2. Säule im Schweizer Vorsorgesystem, wird anders finanziert: Die Beiträge der 2. Säule fliessen nicht an eine staatliche Einrichtung, sondern in die Pensionskasse des Arbeitgebers. Dort spart jede und jeder Versicherte für sich selbst, im sogenannten Kapitaldeckungsverfahren. Es gibt aber auch eine Versicherungskomponente für Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Todesfall. Beide Säulen haben gemeinsam, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam Beiträge einzahlen, meist sind es je 50 Prozent.

Warum ist ein hoher Umwandlungssatz etwas Schlechtes – dann bekomme ich doch mehr Geld, oder?

Das Ganze ist etwas komplexer. Der Umwandlungssatz ist ein Prozentsatz, mit welchem die Höhe der Rente berechnet wird. Vergleicht man das mit einem Kuchen, nennt der Umwandlungssatz die Anzahl der Kuchenstücke respektive die Grösse eines Kuchenstücks. Relevant ist, wie viel Geld man «umwandeln» kann. Ein hoher Umwandlungssatz nützt nichts, wenn man wenig zum Umwandeln hat. Gleichzeitig müssen die hohen Umwandlungssätze aber finanziert werden. Wenn bei den Pensionierten zu wenig Kuchenmaterial vorhanden ist, muss dieses aus den Anlageerträgen der Erwerbstätigen umverteilt werden. Die heutigen Erwerbstätigen sind dann gleich doppelt gestraft: Sie haben heute und in Zukunft weniger Geld und die Umwandlungssätze werden später unweigerlich gesenkt werden.

Fairplay in der beruflichen Vorsorge

Vita setzt sich für Fairplay in der beruflichen Vorsorge ein und klärt transparent über Umverteilung auf. Zudem schafft Vita zukunftsfähige Vorsorgeprodukte und unterstützt Sie bei der Wahl der für Sie passenden Lösung.

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